Vertrieb & Marketing im Spannungsfeld der digitalen Transformation

Das Thema Industrie 4.0 ist momentan in aller Munde und führt zu regen Diskussionen, auf Messen übertreffen sich die Firmen mit Lösungsansätzen. Dies führt unweigerlich zu der Frage „Zieht Industrie 4.0 den Vertrieb 4.0 nach sich?“

Die Antwort ist schlicht und ergreifend „Ja, Industrie 4.0 führt zwangsläufig zum Thema Vertrieb 4.0.“ Lassen Sie uns hier einmal ins Detail gehen.

 

Die gesamte Wirtschaft ist dank IoT (Internet of Things) im Umbruch, es findet eine digitale Transformation statt. Für den Vertrieb bedeutet dies ein Paradigmenwechsel. Bisher galt der Grundsatz, dass dem Beziehungsaufbau zum Kunden schlussendlich ein Auftrag folgt. Der mit den besten Beziehungen und natürlich einem akzeptablen Produkt samt dahinterstehender Dienstleistung bekam den Auftrag. Dies ist mehr und mehr Geschichte. Compliance Richtlinien tun ihr Übriges dazu. Die neue Marschrichtung lautet, welchen Mehrwert der Lieferant mit seinen Produkten und Dienstleistungen bietet, daraus folgt dann die gute Beziehung und schlussendlich der Auftrag. Hieraus ergibt sich, dass sich ebenfalls die Beschaffungsseite grundlegend ändert. Der Einkauf ist auf der Suche nach dem Besonderen, er muss intern argumentieren können und verlangt seinen Anteil an der strategischen Unternehmensausrichtung. Dies führt im Prozess der Entscheidungsfindung dazu, dass die bisher vielfach übliche Einzelentscheidung nur noch bei strategisch nicht relevanten Produkten/Dienstleistungen stattfindet und bei Produkten und Dienstleistungen von strategischer Reichweite die Gruppenentscheidung Einzug hält. Neueste Studien zeigen auf, dass durchschnittlich 5,4 Personen an der Entscheidungsfindung beteiligt sind. Dies erhöht die Komplexität, da jede am Entscheidungsprozess beteiligte Person für sich genommen andere Prioritäten verfolgt und sich dadurch zwangsläufig ein breiteres Abdeckungsfeld ergibt. Kunden verlangen nach innovativen und kreativen Produkten/Dienstleistungen, nicht mehr 08/15! Warum ist das so? Die Faktenlage ändert sich dahingehend, dass heutige Kunden durch eine Vielzahl an Informationskanälen bestens informiert und thematisch immer auf der Höhe der Zeit sind. Sie fordern im Beschaffungsprozess absolute Flexibilität. Dieser Veränderung in der Industrie steht immer noch das „Uralt-Vertriebsmodell“ gegenüber: KPI-getriebene Vertriebsstrukturen mit Vorgaben für Kontaktrate, Projektvorlauf, Abschlussquote, Konversionsrate, Bestands-/Neukunden usw. Hieraus folgt, dass sich der Außendienst auf die Straße begibt, Termine um jeden Preis macht, Standardpräsentationen abhält und dies durch Standardstrategien mit Kaltakquise, Produktpräsentationen und der Projektqualifizierung untermauert.

 

Dazu fällt mir nur eines ein: Gute Nacht zusammen!

 

Der heutigen Herausforderung durch eine komplexe Marktsituation, sprich hohe Anzahl von Wettbewerbern, Preisdruck durch Billiganbieter, hohe Kundenanforderungen an Produkt und Dienstleistung, muss eine Veränderung im Vertriebsansatz, in der Vertriebsstrategie folgen. Ich möchte dies als 360°-Vertrieb bezeichnen. Er bezieht sich natürlich sowohl auf Bestands- als auch auf potenzielle Neukunden.

Werfen wir aber zunächst einmal einen Blick auf die verschiedenen Verkäufertypen:

  1. harter Arbeiter, permanent auf der Straße, ein Termin jagt den nächsten, hat eine immense Pipeline an Projekten, um letzten Endes seine Ziele zu erreichen

 

  1. der Netzwerker, hat einen Riesenfundus an Kontakten, ein peinlich gepflegtes Netzwerk wodurch er permanent seine Pipeline füllt, um hierdurch ebenfalls seine Ziele zu erreichen

 

  1. der Herausforderer, ist nicht permanent auf der Straße, hat auch nicht unbedingt ein peinlich gepflegtes Netzwerk, vertritt aber provokante Ansichten, hat keine Scheu, stellt provokante und unbequeme Fragen und stellt bisherige Ansätze beim Kunden grundlegend auf den Kopf und erzielt dadurch seine Abschlussquote

Und genau dieser Typus von Verkäufer wird zukünftig gefragt sein. Denn diese Eigenschaften sind genau die, die im sich gegenwärtig verändernden Verkaufsuniversum gefordert sind. Er ist zusätzlich technisch versiert, IT-affin und kaufmännisch gut ausgebildet.

Wie können nun diese Verkäufer zielgerichtet geführt werden?

Geschäfts- und Vertriebsleitung müssen sich grundlegend ändern, es ist nicht mit einem verwaltenden 08/15-Controller-Job gemäß KPI-Vorgaben getan, den leider immer noch zu viele Vertriebsleiter und Geschäftsführer Vertrieb als der Weisheit letzten Schluss ansehen! Der neue Typus von Geschäftsführer Vertrieb/Vertriebsleiter hat den Außendienst aktiv zu unterstützen, er hat die Vertriebsstrategie im Team zu erarbeiten. Es müssen vor dem Erstkontakt zum Kunden die Eckpunkte herausgearbeitet werden, um die neuen Entscheidungswege im B-to-B-Geschäft zu überbrücken. Hierzu dienen folgende Fragestellungen:

  • Womit verdient der Kunde sein Geld?
  • Was machen seine Marktbegleiter gegebenenfalls anders?
  • Was bringt ihm Wettbewerbsvorteile?
  • Wie können wir dazu beitragen?

Aus der Beantwortung dieser Fragen kristallisieren sich 3 Basis-Schritte heraus:

  1. Schritt              Wissensvermittlung

Durch neue Erkenntnisse zum Geschäft des potenziellen Kunden beitragen, neue Marktchancen für ihn eröffnen, Risiken für ihn minimieren, eventuellen Handlungsbedarf aufdecken. Gleichzeitig dient dies dazu den Kunden auf diese Erkenntnisse hin zu konditionieren und ihn für den Prozess zu engagieren.

 

  1. Schritt              Anpassung

Die Kommunikationsstrategie muss überarbeitet werden, neue Medien sind von wachsender Bedeutung und stehen weitestgehend kostenlos auf 24/7-Basis zur Verfügung. Gleichzeitig muss den unterschiedlichen Prioritäten der Entscheiderbasis in der Breite Rechnung getragen werden; ein Produktionsleiter hat andere Prioritäten als ein Logistikleiter oder gar ein Finanzvorstand. Es muss also ein Konsens zwischen den beteiligten Lagern hergestellt werden, in dem übereinstimmende Ziele erkannt/herausgearbeitet werden.

 

  1. Schritt              Kontrolle

Der Außendienst muss in die Lage versetzt werden ein totlaufen des Prozesses zu verhindern. Er muss befähigt sein Druck auf die Entscheidungsfindung auszuüben, Meinungen zu hinterfragen, bei Preis- und Nachlassdiskussionen auf die Mehrwertebene zu verlagern und selbstbewusst die Verhandlungsführung steuern und keine Angst vor dem Preis zu haben.

 

Natürlich kommt der Schnittstelle Mensch/Mensch weiterhin eine wichtige Bedeutung zu. Egal ob am Tisch Vis-a-Vis, über Telefon oder über die neuen Medien/soziale Netzwerke. Das Grundbedürfnis des Kunden ist das Gespräch. Durch aktives Zuhören werden ihm Sorgen/Nöte/Ängste genommen, er bekommt die Chance eines produktiven Feedbacks indem über geschäftskritische Fragen gesprochen wird, somit gilt es einen Vorteil für den Kunden aus dem Gespräch heraus zu erarbeiten, was zur Folge hat, dass er wieder und wieder den Kontakt zu uns sucht. Seine kostbare Zeit teilt er gerne mit Menschen, die ihn im Geschäft weiterbringen.

Die 360°-Sicht muss aber vervollständigt und durch flankierende Maßnahmen gestärkt und unterstützt werden, sonst gerät sie zur Makulatur.

Dies geschieht durch:

  • Bereitstellung von Kundendaten/-informationen à moderne CRM-Systeme
  • Zugriff auf kaufmännische Informationen à ERP-Systeme
  • Kennzahlen bereitstellen à BI/BWA
  • Dokumenten-Bereitstellung à Dokumentenmanagementsysteme/DMS

Jetzt kommt sicherlich der Einwand „Das gab es vor 20 Jahren schon!“

Ja, richtig, aber die Systeme waren alleinstehend und damit fehlte der lückenlose Informationsfluss und die notwendige Informationstransparenz!!! All dies basiert auf dem Prinzip der predictive analysis/vorausschauenden Datenanalyse à letzten Endes dem Informationsvorsprung durch Cloud-Technologie.

Dies lässt sich kurz durch eine simple Fragekette darstellen:

  • Was wurde wann zu welchem Zeitpunkt zu welchem Preis an wen wie verkauft?

Sie beantwortet die Frage nach Produkt, Zeitpunkt, Zahlungsmoral, Auftragsbestand, vergleichbare Kunden, Up-/Cross-Selling-Potenzial, Themen in sozialen Netzwerken, der Wettbewerbssituation usw. usw.

Zusammenfassend kann man sagen, dass wieder einmal das Vertriebsargument Nr. 1 sticht, der BESSERE SERVICE in seiner Gesamtheit aus lückenlosem Informationsfluss zwischen dem Produktmanagement, R & D, Fertigung, Qualitätssicherung, Vertrieb, Marketing, FiBu und Einkauf.

Ich freue mich auf diese Herausforderung. Sprechen Sie mich an.

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© Wilfried Thönnissen